Die Vereine der Zukunft: Wie können Vereine den Spagat zwischen Tradition und Fortschritt schaffen? Zwar sind (Sport-)Vereine nach wie vor ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, doch die Zahl der Herausforderungen nimmt immer weiter zu. Um diesen Entgegenzuwirken sind Vereine daher in der Pflicht, sich und ihre Organisation auf den Prüfstein zu stellen und neue Wege zu ergründen, wie sie sich weiter professionalisieren können. Eine Möglichkeit: Die Schaffung hauptamtlicher Vereinsmanagement Stellen.
[Gastartikel] Wenn wir an Breitensportvereine denken, denken wir vermutlich zuerst an Spaß. An Freunde treffen, sich auspowern, Trainingseinheiten und Wettkämpfe. Und wir denken ans Ehrenamt. An manchen Tagen empfinden wir Dankbarkeit für unsere Vereine und Wertschätzung für ihr Engagement. Doch wenn wir ehrlich sind: An vielen Tagen verschwenden viele Mitglieder keinen Gedanken an ihren Verein.
Der Blick hinter die Kulissen
Sie wissen nicht, wie viele Mitglieder ihr Verein hat oder wie viele Personen sich ehrenamtlich im Verein engagieren, um den Trainings- und Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Sie wissen nicht, ob Übungsleiterinnen und Übungsleiter eine Aufwandsentschädigung bekommen und auch nicht, welche laufende Kosten der Verein hat. Und sie wissen nicht, wie viel Zeit und Herzblut Engagierte investieren und ob es ihnen und dem Verein gut geht oder nicht.
Doch bei vielen Vereinen sieht die Realität leider anders aus. So zeigte eine Vorabauswertung der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts zur COVID-19 Thematik:
Jeder zweite Verein erwartet für 2021 eine existenzbedrohende Lage:
– 2/5 aller Vereine haben einen Mitgliederrückgang
– 35% aller Vereine haben einen pandemiebedingten Rückgang von Ehrenamtlichen
– Jeder fünfte Verein rechnet mit einer existenziellen Bedrohung aufgrund pandemiebedingter finanzieller Engpässe
Und auch vor der Pandemie sah die Lage vieler Vereine nur unwesentlich besser aus.
Vereine im Wandel
Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung der Mitglieder an Vereine immer weiter an: Trainings sollen stattfinden, die Qualität des Angebots hoch sein. Sie wünschen sich qualifizierte Trainerinnen und Trainer, wie auch ein sicheres Trainingsumfeld für sich und ihre Kinder. Fragen sollen schnell beantwortet und Probleme gelöst werden. Und natürlich wollen Teams immer top ausgestattet sein, egal, ob mit Trikots, Trainingsbekleidung oder mit Blick auf das Equipment.
Alles nachvollziehbare Wünsche. Das Problem: Mit den aktuellen finanziellen und vor allem personellen Ressourcen vieler Vereine ist dies nicht oder nur bedingt leistbar und geht einher mit der stellenweisen Selbstaufopferung einiger Ehrenamtlichen.
Doch nicht nur die Zufriedenstellung der Mitglieder stellt die Vereine vor eine Herausforderung, sondern auch viele Trends und Entwicklungen der letzten Jahre. Während Sportvereine lange Zeit eine unangefochtene Stellung als eine der Lieblingsbeschäftigungen hatten, laufen andere Angebote ihnen immer mehr den Rang ab. Dabei bekommen sie nicht nur Konkurrenz aus anderen Bereichen des Lebens und durch Technik, sondern auch aus den eigenen Reihen in Form von kommerziellen Anbietern wie Fitnessstudios oder „unorganisierten“ Angeboten wie Joggen, Rad fahren oder Wandern. Durch die Lebensumstände vieler Menschen ist das höchste Gut mittlerweile Flexibilität. Etwas, was viele Sportvereine nicht bieten können.
Sportvereine haben andere Qualitäten
Doch dafür haben Vereine andere Qualitäten. Nicht umsonst zählt der DOSB zurzeit 27,8 Millionen Mitgliedschaften, denn diese Kombination aus Gesundheitsförderung, Sozialleben, Spaß und Wertevermittlung gibt es kaum woanders. Damit Vereine jedoch auch in Zukunft kein Auslaufmodell werden, braucht es Ressourcen: Zeitliche, personelle und finanzielle.
Wo wir wieder beim Problem sind: 93% der Vereine werden rein ehrenamtlich geführt, so dass Ehrenamtliche durchschnittlich rund 6 Stunden in die Vereinsarbeit investieren – und dass jede Woche neben Arbeit, Studium, Familie und anderem Engagement. Kaum verwunderlich, dass 41% der Vereine Schwierigkeiten haben, Nachfolger für ehrenamtliche Vorstandsposten zu finden.
Professionalisierung der Vereinslandschaft durch Hauptamt
Eine mögliche (Teil-)Lösung: Hauptamtliche Vereinsmanagement Stellen, denn stellt euch vor: Was wäre alles möglich, wenn eine Person- zusätzlich zu dem ehrenamtlichen Engagement – zwischen 20-40 Stunden jede Woche in euren Verein investieren könnte? Wie viele neue Mitglieder, Ehrenamtliche und Sponsoren könnten gewonnen werden? Welche neuen Ideen und Projekte konzipiert und umgesetzt? Wie schnell könnte die Digitalisierung vorangetrieben werden? Wie viele Fördergelder beantragt und Crowdfunding-Kampagnen gestartet? Und wie viele neue Partner gewonnen, Netzwerke aufgebaut, Schulungen besucht und Schulkooperationen geschlossen werden?
Oder aus einer anderen Perspektive: Wie vielen Ehrenamtlichen, die sich Woche für Woche Stunde um Stunde für ihre Vereine aufopfern, kann die Chance gegeben werden, ihr Geld nicht irgendwie zu verdienen, sondern bei ihrem Herzensverein? Und wie sähe wohl eine Gesellschaft aus, in der mehr Menschen das Gefühl haben, einen Beruf mit Sinnhaftigkeit nachzugehen
Hauptamt machen oder nicht machen?
Doch das Thema Hauptamt im Verein ist für Vereine oft mit Zweifeln, Einwänden und Ängsten verbunden. Dabei steht nicht nur die Frage der Finanzierung im Raum, sondern auch Bedenken bezüglich der Zusammenarbeit von Hauptamt und Ehrenamt, der Notwendigkeit einer Stelle und die mögliche Kommerzialisierung der Vereine. Wer kennt sie nicht, die Phrasen „Das haben wir schon immer so gemacht“, „Bisher ging es auch ohne“ und „Das klingt ja alles schön und gut, aber…“.
Sorgen und Ängste sind natürlich und gehören ernst genommen zu werden. Doch wie wäre es, die Energie, die sonst investiert wird, um zu argumentieren „Warum das Projekt zum Scheitern verurteilt ist“ anderweitig zu nutzen und zu sagen: „Wir machen’s möglich! Und finden gemeinsam heraus wie“. Wenn ein kleiner Junge aus ärmlichen Verhältnissen einmal der bekannteste Boxer der Welt werden und die Tochter eines Gebrauchtwagenhändlers die Tenniswelt begeistern kann, wieso sollte euer Verein keine hauptamtliche Stelle schaffen können? Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: Angst beginnt im Kopf – Mut aber auch. Und am Ende haben Vereine dadurch mehr zu gewinnen als zu verlieren.
In der heutigen Zeit ist es vielleicht schwieriger denn je, den Spagat zu schaffen zwischen „sich selbst treu“ und „aktuell“ zu bleiben“. Doch nicht immer muss man jedem Trend hinterherlaufen und sich verstellen. Das gilt für Personen und Marken ebenso wie für Sportvereine. Niemand möchte, dass Sportvereine ihre Kernwerte aufgeben, denn genau für diese werden sie geschätzt. Stattdessen müssen die Vereine an den richtigen Stellschrauben drehen und an den richtigen Stellen bereit für Veränderungen sein.
Dabei sind Vereine zum Glück nicht auf sich allein gestellt, denn sowohl viele Landessportbünde sowie Fachverbände als auch Anbieter wie Klubtalent unterstützen die Vereine auf ihrem Weg. So bietet Klubtalent zum Beispiel ein 9-monatiges intensiv Coaching, dass sogenannte Hauptamt-ready Programm, an. In dieser Zeit lernen die Vereine u.a., wie sie ihre Organisationsstruktur optimieren, welche Form von Hauptamt für ihren Verein am besten ist und wie sie dies finanzieren und realisieren können.
Ihr spielt als Verein mit dem Gedanken, eine hauptamtliche Stelle zu schaffen, seid euch aber nicht ganz sicher? Dann findet ihr hier eine Hilfestellung, wie ihr als Verein herausfinden könnt, ob Hauptamt das Richtige für euch ist oder nicht.
Zur Gastautorin:
Lisa Steffny arbeitet für das Start-up Klubtalent. Mit Klubtalent leistet sie einen Beitrag dazu, (Sport-)vereine dabei zu unterstützen, hauptamtliche Vereinsmanagement-Stellen zu schaffen. So können Vereine sich nicht nur weiterentwickeln und ihre Ziele erreichen, sondern es werden auch mehr Arbeitsstellen „mit Sinn“ geschaffen.
Wie immer zum Schluss ein paar Buchtipps für Vereine:
Im „Vereine gründen und erfolgreich führen“ Ratgeber erfährt der Leser alles, was er wissen muss, wenn er einen Verein gründen oder leiten, einem Verein beitreten oder sich darin betätigen will, insbesondere welche unterschiedlichen Organisationsformen möglich sind, was zwingend in der Satzung stehen muss und was man zusätzlich regeln sollte. Dazu kommen Rechte und Pflichten der Mitglieder, Bestellung und Handlungsspielraum des Vorstands, Berufung und Leitung von Versammlungen, Anträge, Beschlüsse, Anmeldung zum Registergericht und Kosten. Zahlreiche Muster erleichtern die tägliche Vereinsarbeit.
Der Verein ist im Nonprofit-Sektor nach wie vor die beliebteste Rechtsform. Dies hat viele Gründe: Basisdemokratisch, einfach und bekannt dürften die am häufigsten genannten Gründe sein. Andererseits ist die Handhabung der Rechtsform Verein aber an verschiedenen Stellen für die Verantwortlichen fehleranfällig und schwierig. Dies umso mehr, wenn zu der Rechtsform Verein noch die Gemeinnützigkeit kommt. Guter Rat ist dann häufig teuer. Jörg Ammon zeigt in der 3. Auflage seines erfolgreichen Buches „Stolperfalle Verein“ praxisnah und verständlich, wie Du sicher mit der Rechtsform Verein, auch und gerade in Kombination mit der Gemeinnützigkeit umgehen und Stolperfallen vermeiden kannst. Erweitert hat er die aktuelle Auflage natürlich um das schwierige Thema Datenschutz.
Was musst Du bei einer Vereinsgründung beachten? Welche Bedeutung hat die Mitgliederversammlung? Und wie löst Du die alltäglichen Herausforderungen des Vereinslebens? Mit zahlreichen Beispielen und konkreten Handlungsempfehlungen begleitet Dich „Vereinsrecht: Ein Leitfaden für Vereine und Mitglieder“ durch Dein Vereinsleben. Chronologisch aufgebaut vermittelt er Dir schnelle und zielgerichtete Informationen von der Gründungsphase bis hin zur erfolgreichen Führung des Vereins.
Weitere interessante Artikel für Dich auf Vereinsmeier.online:
Haftung im Verein mit Privatvermögen